Digitale Zwillinge
Physikalische und datengetriebene Modelle

Im Ingenieurwesen ist die Verwendung von mathematischen oder physikalischen Modellen so alt wie die Disziplin selbst und auch die Idee eines Zwillings wurde bei der NASA auch seit den frühen Apollo-Missionen benutzt, siehe Rosen 2015. In letzter Zeit haben allerdings effizientere Algorithmen und das enorme Wachstum von Daten und Rechnerleistung die Schaffung eines neuen Konzepts ermöglicht, den digitalen Zwilling, siehe Shafto 2010 (wird in neuem Tab geöffnet). Digitale Zwillinge integrieren physikalische Modelle und datenbasierte Ansätze und beinhalten das gesamte Wissen zu einem Produkt oder System als ausführbaren Code. Sie ermöglichen so neuartige Unterstützung z.B. für Designoptimierung, Prozesssteuerung oder Lebenszyklusmanagement. Digitale Zwillinge sind heute so wichtig für die Wirtschaft, dass sie von Gartner zu einem der Top 10 strategischen Technologietrends im Jahr 2019 ernannt wurden.

Digitale Zwillinge basieren oft auf differential-algebraischen Gleichungen (engl. DAEs). Das sind Kombinationen aus Differentialgleichungen mit algebraischen Einschränkungen. Ursprünglich war das vor allem in der Mechanik und Robotik, sowie der elektrischen Schaltungssimulation relevant. Heute treten sie häufig bei multiphysikalischen Problemen aufgrund von Kopplungsbedingungen auf. Die algebraischen Gleichungen verursachen große numerische Schwierigkeiten, da die Berechnung nicht nur Integration, sondern auch Differenzierung erfordert.

Es ist bekannt dass die Ableitung eine unbeschränkte Operation ist und sie daher schwieriger zu handhaben als die Integration zur Lösung von gewöhnlicher Differentialgleichungen. Betrachten wir eine DAE mit einer sinusförmigen Anregung kleiner Amplitude, aber mit hoher Frequenz, z.B.

\[ \begin{aligned}\dot{x}(t) & = y(t)\\0 & = x(t)\;-\; \varepsilon\sin(\omega t).\end{aligned} \]

Diese sinusförmige Schwingung kann numerisches Rauschen sein, das so klein ist wie die Maschinengenauigkeit, aber dennoch wird ihre Amplitude durch die Frequenz verstärkt.

\[ \begin{aligned}x(t) & = \varepsilon\sin(\omega t)\\y(t) & = \varepsilon \;\omega \cos(\omega t).\end{aligned} \]

Je mehr Ableitungen an der Lösung einer DAE beteiligt sind, desto mehr Probleme können bei den numerischen Berechnungen auftreten. Der DAE-Index ist ein Maß dafür. Deshalb ist es relevant den Index vor einer Simulation zu kennen.